04 | Die Erkenntnis des Bösen

04 | Die Erkenntnis des Bösen

2560 1707 Erwin Sovkov

Um über das Thema Gut und Böse so zu schreiben, dass es keine religiöse oder moralische Abhandlung wird, die für den Menschen abstrakt und lebensfremd bleiben muss, sondern so zu schreiben, dass es dem Menschen förderlich für seine Entwicklung als Mensch und Geist wird, so muss ich erst den Weg erklären, der den Leser zu einem gesunden Ausgangspunkt führt, von dem aus sich in fördernder Weise der Anblick auf das Böse ergibt und zugleich sich der Begriff des Bösen erschließen lässt. Das nenne ich die Erkenntnis des Bösen.

Eingangsappell

Ich bitte den Leser wirklich sorgsam mit den einzelnen Schritten des eben genannten Weges umzugehen und sich nur dem Anblick des Bösen zu stellen, wenn er die angesprochenen Vorraussetzungen als Erlebniswirklichkeiten vor sich hat. Denn meine Herangehensweise an das Thema Gut und Böse basiert selber auf Lebenswirklichkeiten, die ich mit der Erkenntnis durchdrungen habe und stellt den Leser selber vor den Anblick des Bösen, dem gegenüber die Seele und der Geist gewappnet sein muss, um von der Beschäftigung mit dem Bösen profitieren zu können.

Das schöpferische Denken als Quelle der geistigen Selbständigkeit

So ist der erste Schritt, die erste Voraussetzung, dass der Leser ein schöpferisches, ein eigenständig auf sich selbst beruhendes, schaffendes Denken besitzt, in dem er selbstbewusst lebt und handelt und die Erfahrung gemacht hat die Materie zum Schaffen seiner Gedanken nicht zu benötigen. Das Verhältnis zur Materie besteht allein darin, dass er durch sie irdische Präsenz erlangt und in ihr seine Gedanken sprachlich ausformuliert. Den dabei stattfindenden Prozess, sowie das Verhältnis des Menschen zu seiner Persönlichkeit und dem Geist, beschreibe ich in meinem Artikel 02 | Das Wort als Ursprung der Meditation.

Notwendiger Ausgleich geistiger Wirkungen im Menschen

Erst diese Eigenständigkeit des menschlichen schöpferischen Wesens ermöglicht es, einen festen Standpunkt in sich zu gründen, den nichts verrücken kann. Doch dieser Standpunkt braucht eine Orientierung, eine Ausrichtung. In sich gegründet zu sein und sich seiner Gedanken sicher zu sein, reicht nicht aus, um auch im Anblick durch den Geist geschauten Tatsachen stand zu halten. Denn diese sind von höherer Intensität und höherer Realität, weil sie sich, im Gegensatz zur physischen Wahrnehmung durch z.B. das physischen Auge, nicht nur auf die Kenntnis des Menschen beschränken, sondern das ganze sich seiner selbst bewusste geistige Leben des Menschen beeinflussen. Ein geistig unangenehmer Anblick könnte die Stabilität des Menschen beeinträchtigen, da er auf Grund des geistigen Bewusstseinsstandes des Menschen in ihm wahrnehmbare Wirkungen hervorruft.

Wirkungen aufeinander finden ständig statt, doch solange der Mensch sein Bewusstsein auf die materielle Welt beschränkt, treten sie nicht in sein Bewusstsein ein und der geistige Prozess zum Ausgleich der Wirkungen läuft wie ein Geschenk ab, das er erhält, aber von dem der Mensch nichts weiß, dass er es bekommen hat. Solange der Mensch seine Gedanken nicht so stark macht, dass sie eigenständig schöpferisch werden, so lange verdeckt die Wahrnehmung der Materie die in geistiger Realität stattfindenden Prozesse. Doch ein Bewusstsein, das sich in eigenständig schöpferischen Gedanken geübt hat, lässt sich von der Materie nicht mehr herabdämpfen. In es tritt die ganze Wahrheit der Welt ein und die in ihr stattfindenden Prozesse und lebt ihre Macht und Wirkung im Menschen weiter aus.

Das Wort als Herrscher des geistigen Menschen

In diesem Zustand ist es ganz egal, ob es fördernde oder hindernde Kräfte sind. Ob es schaffende oder zerstörende Kräfte sind, denn beides könnte der Mensch nicht autonom handhaben. Sie übersteigen einfach die menschlichen Möglichkeiten seines jetzigen Entwicklungsstadiums. Daher muss eine andere Macht an den Menschen herankommen, die sozusagen Herrscher über diese Kräfte ist und sie im Sinne des individuellen Menschen leitet, sie führt und sie dem Menschen und ihm gemäß eingliedert. Diese Macht habe ich in meinem Podcast Michaelicum: Wissenschaftliche Religiosität aus der Erkenntnis des Todes als das Licht eingeführt und den Hörer in den Folgen der ersten Staffel bis zur Erkenntnis des Wortes als den Schöpfer der Welt und des Menschen geführt.

Da das Wort als Mensch gelebt, gestorben und auferstanden ist, weiß es ganz genau um die Probleme des Menschen und kann als Schöpfer den Menschen in das richtige Verhältnis zur Welt stellen. Ein im Wort gegründetes Geistesleben ist die zweite der Voraussetzungen, beziehungsweise der zweite Schritt auf dem Weg zur Erkenntnis des Bösen.

Die Demut als Grundstimmung zur vollständigen Aufnahme des Wortes

Doch auch das reicht noch nicht aus, um den letzten Schritt auf die Erkenntnis des Bösen zuzumachen. Es fehlt noch eine essentielle Qualität des Menschen, ohne die keiner der bisherigen Schritte gemacht werden kann. Es ist die Entwicklung der Demut, wie ich sie in meinem Artikel 03 | Der Schmuck der Demut beschrieben habe. Denn ich muss eine Kraft in mir entwickeln, die felsenfest und entschlossen immer und nur sich am Wort orientiert. Das Leben in der Welt außerhalb der Materie und das Leben in der Materie als Geist kann nur gesund, das ist harmonische und selbstbewusst, verlaufen, wenn der Mensch sich innerhalb des Wortes entwickelt. Es gibt keine andere Möglichkeit als diese, wenn der Mensch sich mit der Welt entwickeln will und nicht außerhalb derselben.

Die Definition von Gut und Böse

Wer mir nun bis hierher mit seinen Gedanken folgen hat können, der wird im rechten Verhältnis verstehen, was mein Begriff des Bösen ist. Denn er ergibt sich aus den geschilderten Schritten, aus den Entschlüssen für sich selber und aus dem Verhältnis, in das er sich zum Wort stellt. Denn dieses Stellen zum Wort ist das Gute oder das Böse. Das Folgen des Wortes ist das Gute, das sich ihm entgegenstellen und zurückbleiben ist das Böse.

Warum ist es nun das Böse zurückzubleiben? Das ist deswegen, weil das Gute und das Böse nicht statische Zustände sind. Sondern das Wort ist die treibende, schaffende Kraft im Menschen fortzuschreiten und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Zurückbleiben ist daher nicht einfach ein aus der Evolution des Wortes fallen. Sondern es ist ein aktives Wehren gegen die Kräfte des Wortes. Die Handlungen, die diesem Wehren entspringen und die dazu führen, dass der Mensch zurückbleibt, die sind es, die im Ergebnis das Böse sind. Davon gibt es 3:

Das Böse im Leben des Menschen

Die erste der Handlungen, die das Böse gebären, ist die, wenn der Mensch, der das schöpferische Denken nicht entwickeln will auf einen Menschen trifft, der es entwickelt hat. Damit ist nicht gemeint, wenn ein Mensch noch nicht schöpferisch Denken kann. Denn dann wird er es durch das Zusammentreffen erlernen. Es geht wirklich um den Menschen, der sich gegen das schöpferische Denken wehren will. Er hat dafür nur ein Werkzeug: den entmenschlichten Intellekt. Das ist der Intellekt, der nicht verstehen will, um zu Wachsen, sondern der benutzt wird, um den anderen Menschen zu Schaden. Und in dem Fall des schöpferischen Denkens, zielt der Intellekt auf das Zentrum des schöpferischen Denkens. Es ist das im geistigen Selbstbewusstsein zu höherer Stufe entwickelte menschliche Herz. Die erste Handlung des Bösen ist also ein Angriff auf das Herz. Man könnte es auch einen Angriff auf die Liebe nennen.

Die zweite der Handlungen, die das Böse gebären, ist die, wenn der Mensch in der Anschauung der Materie verharren will. Denn trifft dieser auf einen Menschen, der von höheren Wahrheiten erzählt, die auf Erkenntnis und Wahrnehmung des Geistes beruhen, der auch die Materie durchdringt, dann wird er alles unternehmen damit der Zeuge des Geistes verstummt. Es ist ein direkter Angriff auf die Erkenntnis.

Die dritte der Handlungen, die das Böse gebären, ist die, wenn der Mensch die Aufnahme des Wortes ablehnt und so im Hochmut verharren will. Trifft dieser auf einen Menschen in dem das Wort lebt, so wird er versuchen ihm so viel Schmerzen zuzufügen, wie es geht. Es ist ein Angriff auf die Demut.

Die Folgen der Handlungen des bösen Menschen

Was alle drei Handlungen gemeinsam haben ist, dass sie in einem höheren Sinn einem Mord gleichen. Denn der geistige Mensch, der sich im Wort entwickelt, soll getötet werden. Das ist das Böse.

Beim Bösen geht es nicht um einen guten oder schlechten menschlichen Charakter. Der Mensch, der zurückbleiben will, kann auch äußerst freundlich und hilfsbereit sein. Es geht beim bösen Menschen um die Schritte, die er nicht tun will und um die Handlungen, die daraus folgen.

Die Folgen für das Dasein des Menschen sind für den, der zurückbleiben will, das Leben in der Materie. Er wird jegliches geistiges Dasein verlieren. Der Mensch, der dem Wort folgt gewinnt ein neues Leben, das aus der Überwinden der Materie, der Überwinden des Todes, entsteht. Das heißt ich definiere das Gute und das Böse nicht an dem, was der Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, sondern was er auf Grund seiner Zielsetzung für sein Leben tut.

Im Moment ist sich der Mensch dieser beiden Ausrichtungen seines Lebens noch kaum bewusst. Doch sie werden immer mehr und mehr in sein Bewusstsein eintreten und irgendwann wird der Moment kommen, wo sich jeder für die eine oder die andere Seite zu entscheiden hat.

Dieser Artikel soll keine pessimistische Stimmung erzeugen. Auch nicht Angst und Schrecken verbreiten. Sondern er soll eine Unterstützung für den Menschen sein, wenn die Zeit gekommen sein wird, die richtige Entscheidung nicht nur zu treffen, sondern auch zu wissen, was dann zu tun ist, beziehungsweise durch welches Streben sich eine positive Entscheidung herbeiführen lässt.